CROW: ein wachsames Auge auf den Pegelstand

Winter water is coming. Das ist zwar in unserer Branche meistens kein Grund zur Freude, wenn es um Schlitzwände geht aber sogar unbedingt erforderlich. Damit immer genug von der Stützflüssigkeit (in der Regel eine Mischung aus Bentonit und Wasser) in der Leitwand ist, um sie zu stabilisieren, braucht es einen aufmerksamen Wächter, der Alarm schlägt, wenn die Wildlinge anrücken der Pegel unter ein kritisches Niveau sinkt: eguana CROW.

Wie Jon Snow, Lord Kommandant der Nachtwache und Wächter des Nordens, behält CROW stets den Überblick. Der innovative, elektronische Schlitzwandwächter ist seit April 2021 auf der Baustelle im Einsatz. Er wird ganz einfach über der Schlitzwand angebracht und misst automatisch den Pegelstand. Wir haben uns mit Polier Ortner Walter von der PORR AG und eguana-Software Engineer Joachim Ofner über Notwendigkeit, Funktion und die ersten Flugversuche unserer Krähe unterhalten.

Crow hängt am Datenlogger merlin dran (Credit: Ofner/PORR)
CROW hängt am Datenlogger MERLIN dran und überwacht den Pegelstand (Credit: Ortner/PORR)

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Hallo Walter, hallo Joachim! Schön, dass ihr Zeit habt, ein paar Fragen zu CROW zu beantworten. Was ist denn eigentlich eine Schlitzwand und wozu braucht es Schlitzwandwächter?

Joachim: Per Definition ist eine Schlitzwand „eine Schutzwand, die abschnittsweise in einem Bodenschlitz hergestellt wird“. Während der Herstellung wird der Schlitz mit einer Stützflüssigkeit gefüllt, um den Bodenaushub zu gewährleisten und damit den Einbruch zu verhindern.

Walter: Es ist normal, dass die Stützflüssigkeit teilweise im Boden versickert. Bevor sie unter einen kritischen Pegel sinkt, bei dem die Stützfähigkeit nicht mehr gegeben ist, muss Flüssigkeit nachgefüllt werden. Es ist daher wichtig, den Pegel der Stützflüssigkeit bei Schlitzwänden laufend zu überwachen.

Um die Wichtigkeit ein bisschen zu veranschaulichen: Schlitzwände werden auch verwendet, um Nachbargebäude zu stützen, wenn ein Gebäude sehr nah an einem anderen errichtet wird. Wenn während der Errichtung einer Schlitzwand die Stützflüssigkeit im Schlitz zu weit absinkt und die Stützfähigkeit nicht mehr gegeben ist, sodass der Schlitz einbricht, kann sich das sehr negativ auf die Statik vom Nachbargebäude auswirken. In dem Fall ist die Situation versicherungstechnisch zwar vermutlich so kritisch, dass der Bauleiter persönlich auf der Baustelle übernachten wird, bis das Problem gelöst ist. Aber in so einem Fall hat man sicher gern einen elektronischen Schlitzwandwächter, der Alarme schickt, bevor kritische Pegel unterschritten werden…

Wie wurden denn die Pegelstände bisher überprüft? Was ist die Alternative zu CROW?

Joachim: Schlitzwandwächter sind bis jetzt Personen, die auf die Baustelle fahren, um dort den Pegel der Stützflüssigkeit zu überprüfen. Oder sehr aufwändige und fehleranfällige Konstruktionen, die mittels Kran über dem Schlitz positioniert werden müssen. Da geht es natürlich um die Zeit, zu der sonst niemand da wäre, etwa nachts und am Wochenende. Das ist teuer und kann nicht im 10-Minuten-Takt passieren, wie es unser CROW liebend gerne (und auch das ganze Wochenende lang) macht.

So (oder so ähnlich) funktioniert CROW (Credit: eguana/Riedler)

Und was tut er konkret?

Joachim: Im Grunde misst er eine Distanz von Objekten im Bereich von bis zu vier Metern auf ca. 1 Zentimeter genau. Der Sensor sendet Licht aus, das auf ein Objekt trifft, und misst dann die Zeit, die das dort reflektierte Licht zurück zum Sensor braucht. Durch das Anbringen über einer Schlitzwand kann der aktuelle Pegel der Stützflüssigkeit gemessen werden – quasi wie die Laseraugen von Superman. Aber ob er damit jemals Distanzen gemessen hat …

CROW ist ein Sensor unseres Datenloggers MERLIN. Das heißt, MERLIN kann durch CROW Distanzen messen. Diese schickt er dann an eguana SCALES. Die Daten werden geloggt und stehen wie alle anderen Daten jederzeit auf der Plattform zur Verfügung. Durch das laufende Loggen des Pegels kann abgeschätzt werden, wann wieder Stützflüssigkeit nachgefüllt werden muss. Außerdem können Alarme an die zuständigen Personen gesendet werden, die dann schneller und besser reagieren können.

Warum gibt es CROW überhaupt? Was gab den Anstoß für seine Entwicklung?

Joachim: Unsere Partner von der PORR haben das Thema bei uns angestoßen. Es ist für ein Bauunternehmen teuer, am Wochenende laufend jemanden auf die Baustelle zu schicken, nur um sich kurz den Pegel anzusehen. Stefan Fuchs [Anm.: der Projektleiter von PORR hat sich mit uns vor einiger Zeit bereits über TempJet, ein System zur Ermittlung von Durchmesser und Zementgehalt von Düsenstrahl-Säulen unterhalten] und Walter Ortner waren hier die treibenden Kräfte, die uns auch bei den Tests maßgeblich unterstützt haben und ohne die unsere Krähe wohl nicht das Fliegen gelernt hätte.

Polier Walter Ortner und CROW im Einsatz (Credit: Ofner/PORR)
Polier Walter Ortner und CROW im Einsatz (Credit: Ortner/PORR)

Wusstet ihr von Anfang an, wie das Endprodukt funktionieren soll?

Joachim: Es wurde auch überlegt, eine Kamera beim Schlitz anzubringen um den Pegel aus der Ferne zu überprüfen. Allerdings ist das teurer als die direkte Messung einer Distanz: Man müsste zusätzlich einen Maßstab im Schlitz anbringen, um den Wert des Pegelstands zu sehen. Und es würde auch andere Probleme mit sich bringen: Es muss bewilligt werden, dass auf der Baustelle eine Überwachungskamera sein darf. Müssten dann Personen, die zu sehen sind, unkenntlich gemacht werden?

Wo ist CROW bereits erfolgreich im Einsatz und seit wann?

Joachim: Nach einem Rework im Herbst letzten Jahres wird die neue Version seit Februar 2022 auf einer Baustelle in Wien eingesetzt. Anfangs waren es erste Versuche und Tests, bei denen der CROW zusätzlich zum normalen Betrieb aufgestellt wurde.

Mittlerweile hat man aber schon Erfahrungen über den Einsatz gesammelt und das Vertrauen ist gestiegen. Jetzt ist CROW im Dauereinsatz und macht sich schon richtig nützlich.

Kann ich mir als Kunde die Farbe aussuchen?

Joachim: Das wäre prinzipiell möglich. Aber dazu gab es bis jetzt noch keine Anfrage, vermutlich, weil er nach einer Weile im Einsatz sowieso im Einheits-Beton-Gatsch-Grau gesprenkelt ist.

Wir sind trotz Gatsch-Grau dabei, CROW eine ansprechende Optik zu verleihen (Credit: Schwabl/eguana)

Wie stabil ist er? Ich denke da an MERLIN, über den problemlos ein Auto drüberfahren kann.

Joachim: Er ist noch im Prototypenstadium, das heißt er steckt zurzeit im 3D-gedruckten Kunststoffgehäuse. Die Funktionalität ist bereits gegeben, in Zukunft wollen wir ihn aber noch robuster machen, und auch die Linse muss besser vor Verunreinigungen und Kratzern geschützt werden. Deshalb wird er in ein Alugehäuse gepackt, genau wie MERLIN.

Crow ist vielfältig einsetzbar

CROW ist vielfältig einsetzbar

Pablo behält damit etwa den Pegelstand seines Pools im Blick.

CROW ist ein Sensor des Datenloggers MERLIN

MERLIN (das graue Kästchen) misst durch CROW (das grüne Kästchen) Distanzen und schickt sie an eguana SCALES.

Es lassen sich aber auch Papierengpässe vermeiden …

… Kaffeebohnenbestände überwachen …

… und Notfälle am Klo verhindern.

Du hast ein Rework im vergangenen Herbst angesprochen. Lief denn bei der Entwicklung alles nach Plan? Ich erinnere mich daran, dass Florian mehrmals kurz davor war, den kleinen Kerl mit einem entnervten „Flieg, kleiner CROW!“ aus dem Fenster zu werfen.

Joachim: Es war wirklich nicht einfach und wir hätten zwischendurch gerne das Handtuch geworfen. Die letzte Hardwareversion hat im Labor wunderbar funktioniert, aber kaum war sie auf der Baustelle im Testeinsatz, waren die Messungen teilweise nicht brauchbar, ohne eine für uns erkennbare Ursache.

Weil wir zu dem Zeitpunkt nicht auf die Baustelle konnten, haben wir versucht, die Umweltbedingungen nachzustellen. Flo hat zuhause im Garten einen Sensor den Pegelstand seiner Regentonne messen lassen. Aber was bei Tag und Nacht, bei Sonne und Regen funktioniert hat, hat auf der Baustelle dann plötzlich nicht mehr gepasst. So ähnlich muss sich ein NASA-Ingenieur fühlen, der einen Rover am Mars debugged und dazu nur die Daten hat, die zur Erde geschickt werden, und einen baugleichen Rover im Labor, wo Marsbedingen simuliert werden…

Klingt, als hätte das fast das Ende von Projekt „CROW“ bedeutet?

Joachim: Das stimmt. Schon ziemlich entnervt haben wir letzten Herbst aber noch einen letzten Anlauf gestartet und einige Sensoren ähnlicher Art auf ihre Tauglichkeit als Schlitzwandwächter getestet. Einer war dabei, der tut, was wir von ihm wollen. Aber Baustellen sind ein hartes Pflaster und wir sind gespannt, welche Herausforderungen noch auf die kleine Krähe und ihre Hüter zukommen werden.

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Kategorisiert in eguana.team

Von Anna Riedler

Als der Orientierungssinn vergeben wurde, hatte sich Anna gerade verlaufen. Umso besser, dass ihre Arbeit mit Baustellen nur peripher zu tun hat – sie würde vermutlich nie wieder zurück ins Büro finden. Stattdessen schreibt die studierte Journalistin fleißig Texte für unsere Homepage, unseren Blog, und literaturnobelpreisverdächtige Kurzbeschreibungen.