Ein Mann bei der Vermessungsarbeit (Credit: Bogensberger Vermessung)

Eine kurze Vermessung der Welt

Vermessungstechnik unter der Lupe

So wie Batman immer ein wachsames Auge auf Gotham City hat und Yoda kleinste Erschütterungen der Macht wahrnimmt, hat auch Boris Bogensberger jede Veränderung genau im Blick. Der Vermessungsingenieur ist so wie der maskierte Rächer aktuell viel in unterirdischen (Fledermaus-)Höhlen zu finden, konkret jenen der Wiener U2. Wir haben uns mit dem Geschäftsführer von der Bogensberger Vermessung ZT GmBH darüber unterhalten, wie heutzutage eigentlich vermessen wird.

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Die Technik kann Berge versetzen – oder höher machen. Über sechzehn Jahre ist es her, als Bogensberger, damals noch Student der Technischen Universität Wien, gemeinsam mit zwei Studienkollegen den fast 7.000 Meter hohen Aconcagua, den höchsten Berg Amerikas, erklommen und vermessen hat. Bei schwierigen Wetterverhältnisse mit Winden bis zu 240 km/h keine leichte Sache – rund 60 Prozent der Besteigungen scheitern. Gut ausgerüstet schaffte die Gruppe es bis zum Gipfel und stellten mittels GPS fest, dass Aconcagua ganze vier Meter höher war, als bisher angenommen, nämlich stolze 6962,97 Meter.

Eine Gruppe Bergsteiger erklimmt den Aconcagua
Die Besteigung gelingt nur einem Bruchteil der Bergsteiger (Credit: pixabay)

Technologischer Fortschritt

Damals stand Bogensberger noch ganz am Anfang seiner Karriere, doch ihm war schon klar: Technologische Innovationen bedeuten für die Arbeit eine enorme Bereicherung und auch Erleichterung.

Vermessungen fanden bereits in der Antike statt – Wir erinnern uns an den Mathematikunterricht der Unterstufe, wo mithilfe des „Satz des Pythagoras“ die Entfernung zweier Punkte berechnet wurde. Und ohne präzise Vermessung und Berechnung wären Bauwerke wie das Kolosseum, das Pantheon, die Pyramiden oder Aquädukte nicht nur undenkbar sondern sondern hätten in dieser Form und Größe nicht gebaut werden können.

Eine der Pyramiden von Gizeh (Credit: pixabay)
Credit: pixabay

„Als mein Vater unsere Firma 1982 gründete, wurde noch mit Tusche und Feder hantiert“, weiß Bogensberger, der 2007 die Unternehmensführung übernahm. Seither hat sich viel getan, da Digitalisierung in Kombination mit dem Internet auch in der Vermessung einen Paradigmenwechsel bewirkt haben. „Das flächendeckende Internet führt dazu, dass Messsysteme in Quasi-Echtzeit die Daten zur Verfügung stellen.“ Das ist vor allem für Bauwerksüberwachungen relevant, wo zeitnahe entschieden werden muss, falls es zu Deformationen kommt.

Vermessung auf zwei Arten

Grundsätzlich gibt es zwei Arten der Bauwerksüberwachung. Der klassische Ansatz beschäftigt sich u.a. mit der Erfassung von Erschütterungen, Feuchte und Rissen, die bereits bestehende Gebäude betreffen.
Der geodätische Ansatz hingegen erfasst schon während des Bauprozesses Verformungen, welche je nach Messsystem unterschiedlich Informationen liefern. Die Geodäsie bedient sich hier also vielfältigster Sensortypen, um Rückschlüsse auf etwaige Belastungszustände schließen zu können. Diese Überwachungsmessungen fallen unter den Begriff Structural Health Monitoring.

Während früher im Tunnel Konvergenzen mittels relativ simpler Invardrähte gemessen wurden, übernimmt das ein Messroboter. Diese „fahren in eingestellten Intervallen Spiegel an, die am Objekt montiert wurden, messen Winkel und Strecken und können so 3D-Verformungen bestimmen. Alle Systeme können bei Überschreiten von Grenzwerten sofort per SMS oder E-Mail Alarme verschicken.“ Zum Einsatz kommen diese Technologien zum Beispiel bei Hangrutschen, Baugrubensicherungen oder zur Gleisüberwachung, aber auch immer mehr im innerstädtischen Bereich. Hier werden damit Gebäude und Infrastrukturobjekte überwacht, die sich in unmittelbarer Nähe zu Baustellen befinden.

Mitarbeiter von Bogensberger Vermessung sehen sich ein digitales Gebäude auf einem Computerbildschirm an (Credit: Bogensberger Vermessung)
Im Vermessungsbüro setzt man auf Technologie statt Tusche (Credit: Bogensberger Vermessung)

Geht es statt um Konvergenzen hingegen um Setzungen, „sind Schlauchwaagen die genaueste Methode am Markt.“ Schlauchwaagen werden beispielsweise beim Ausbau der Linie U2 in Wien verwendet. Beim Hauptlos U2 17-21 (die Strecke zwischen Triester Straße/Matzleinsdorfer Platz und Augustinplatz) ist Bogensberger Vermessung zuständig für Konzeption, Installation und Betreuung der Schlauchwaagensysteme – und eguana macht dazu das Datenmanagement.

Insgesamt werden ca. 1500 Schlauchwaagensensoren über Wien verteilt in Kellern und Kanälen installiert, um so flächendeckend die Bautätigkeiten zur Errichtung des neuen U-Bahn-Tunnels zu überwachen. Dazukommen rund zehn Kilometer Schlauch- und Kabellängen und hunderte Liter Messflüssigkeit.

Wann man misst

Grundsätzlich werden Messungen sowohl vor als auch während dem Bau getätigt. Nullmessungen (also Bezugsmessungen vor dem Einsetzen einer erwarteten Veränderung) „von angrenzender Infrastruktur werden sinnvollerweise vor dem Bau gemacht“, so Bogensberger. Umgelegt auf den Bau der U2 bedeutet das: Umliegende Gebäude, die von den unterirdischen Bauarbeiten betroffen sein könnten, werden bereits vor Beginn der Bauarbeiten vermessen, um einen Referenzwert für mögliche Veränderungen zu haben. „Während des Baus wird -je nachdem, wie hoch das Risiko eingeschätzt wird- manuell in definierten Intervallen gemessen, zum Beispiel monatlich oder wöchentlich. Werden durch Baumaßnahmen aber höher frequente Bewegungen verursacht, ist nur ein automatisches Geomonitoring sinnvoll. Hier werden Bewegungen von Objekten automatisiert und in kurzen Intervallen von weniger als einer Minute überwacht.“

Ein großer Bau wie der der U2 ist natürlich nicht einfach. „Herausforderungen im Tunnelbau sind immer Störzonen instabiler Geologie. Besonders kritisch sind auch Abschnitte, wo in unmittelbarer Nähe oder sogar direkt darüber bestehende Infrastruktur gegeben ist. Das ist in Wien beim Baulos U2 17-21 der Fall.“

Hierfür „wurden Setzungsmulden berechnet und in Summe werden so ca. 90 Objekte automatisch auf Setzungen überwacht. Dafür werden die Keller mit Schlauchwaagen-Sensoren ausgestattet, die relative Höhendifferenzen in den Gebäuden von weniger als einem Millimeter rund um die Uhr aufzeichnen. Zudem sind hunderte Bolzen an den Häusern befestigt, die von der Stadtvermessung MA41 wöchentlich mit Nivelliergeräten auf Setzungen beobachtet werden.“

Für die eingesetzten Systeme wird besonders die Überwachung der Wiener Kanäle zur Herausforderung. Aufgrund der Bautätigkeiten müssen einige Schlauchwaagen in bestehenden Kanälen installiert werden. Her besteht das unmittelbare Risiko, dass die Sensoren an Tagen mit hohem Niederschlag unter Wasser stehen. „Die Systeme müssen so konzipiert werden, dass sie korrosionsgeschützt und wasserdicht sind“, so Bogensberger.

Manner misst man eben

Aus Mannerschnitten gebautes Haus
Credit: eguana/Anna Riedler

Doch auch Oberirdisch geht es nicht immer reibungslos zu. So stürzte beispielsweise 2014 bei Bauarbeiten ein Teil der Manner-Fabrik in Wien Hernals ein – angeblich, weil die Fundamente von Kakaoschlacke unterspült worden waren (eine Vorstellung, die sogar Liebhabern der Schnittchen zu viel des Guten sein dürfte). Um weitere Unfälle zu verhindern (und die reibungslose Produktion der Kakao-Waffeln zu garantieren, vielen Dank!) wurde die Firma Bogensberger zugezogen und ein automatisches Monitoringsystem installiert.

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Wieder retour zu Batman: Wer jetzt glaubt, Vermessung ist langweiliges Zahlenjonglieren – sicher nicht! Denn wie erwähnt: Wer einen Berg vermessen will, muss ihn erst besteigen. Wer einen Tunnel vermessen will, muss hinein gehen. Und wer Schlauchwaagen in Keller setzt, hat eine spannende Runde durch die Wiener Kanalisation vor sich. In 40 Jahren Vermessung hat die Familie Bogensberger dazu auch einige spannende Bilder gesammelt. Wir sind sicher, mit dem U-Bahnbau kommen bald noch einige tolle dazu. Wer sich die schönsten Eindrücke aus 1977 nicht entgehen lassen will, sieht sich am besten dieses Video an: https://www.bogensberger.com/leistungen/35-jahre-jung

Und natürlich freuen wir uns sehr, mit dabei sein zu dürfen – Denn so wie Batman Alfred hat, der ihn up-to-date bringt, so hat Bogensberger eguana und SCALES.

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Ein großes Dankeschön geht an Boris Bogensberger, Geschäftsführer von Bogensberger Vermessung und geheimer Bewacher der Stadt (beziehungsweise ihrer Gebäude), für seine Zeit und Expertise!

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Kategorisiert in eguana.tech

Von Anna Riedler

Als der Orientierungssinn vergeben wurde, hatte sich Anna gerade verlaufen. Umso besser, dass ihre Arbeit mit Baustellen nur peripher zu tun hat – sie würde vermutlich nie wieder zurück ins Büro finden. Stattdessen schreibt die studierte Journalistin fleißig Texte für unsere Homepage, unseren Blog, und literaturnobelpreisverdächtige Kurzbeschreibungen.