Besuch der U-Bahn-Baustelle am Matzleinsdorfer Platz

Wir und die UBahn!

WIR BAUEN EINE UBAHN! Okay, zugegeben, das stimmt nicht ganz. Beteiligt sind wir dennoch am Bau der neuen U5 sowie der Verlängerung der U2, und zwar zu einem nicht unwesentlichen Teil – wir kümmern uns nämlich, wie könnte es anders sein, ums Datenmanagement.

Die Bauarbeiten sind in vollem Gange, weshalb es an der Zeit ist, über unseren Part dabei zu sprechen.

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Wien, Juli 2021: Mitten im Lockdown haben wir beschlossen, die Zeit daheim für eine virtuelle Reise mit in den Wiener Untergrund zu nutzen und unter dem Titel „Sehnsucht Endstation“ eine kurze Geschichte der U-Bahn geschrieben.

Wien, Dezember 2022: Endlich mal wieder ein normaler Winter, die Adventmärkte haben offen und wir freuen uns, morgen ausnahmsweise wieder eine Weihnachtsfeier im Winter machen zu können.

Noch mehr aber freuen wir uns, Teil von etwas ganz Großem sein zu dürfen. Aufmerksame Leser haben es wohl schon vermutet: Unsere U-Bahn-Serie ist nicht nur eine bloße Fahrt ins Blaue, sondern der Wegbereiter, um über ein ganz besonderes Projekt berichten zu dürfen.

Wien bekommt neue U-Bahn! Und eigentlich nicht nur eine, sondern eher 1,5 neue Linien. Klingt vielleicht auf den ersten Blick ein bisschen durchschnittlich, aber lasst uns doch einmal einen genaueren Blick riskieren:

In einem Zeitraum von zehn Jahren (von 2018 bis 2028 – anschließend geht es mit einer zweiten Ausbaustufe weiter) werden sieben neue Stationen, drei Notausgänge sowie 12 Kilometer neuer Tunnel für die U2 und 3,5 Kilometer neuer Tunnel für die U5 gebaut. Es ist das erste Mal seit 1991, dass Wien eine neue U-Bahnlinie und ein Projekt dieser Größenordnung bekommt (damals wurde die Linie U3 in Betrieb genommen – verlängert und ausgebaut wurde seither aber natürlich laufend).

Bauen in dichtbesiedeltem Gebiet

Das wirklich bemerkenswerte am U-Bahn-Bau ist ja (und eigentlich liegt es auf der Hand, muss aber trotzdem gesagt werden):

Hier wird unter einer belebten Metropole durch gebaut (ja, wir reden immer noch von Wien ;-)). Das bedeutet, dass im Projektverlauf Gebäude untergraben und dicht befahrene Straßen unterirdisch gequert werden – und zwar auf einer maximalen Tiefe von 35 Metern, mit der die Neubaugasse die tiefste Station des Wiener U-Bahnnetzes wird.

Und das im Optimalfall so, dass man über der Erdoberfläche möglichst nichts davon bemerkt.

In diesem Zusammenhang möchten wir eine Anekdote vom Bau der U-Bahn unter dem Stephansdom bemühen, den man damals mit jeder Menge Sensoren ausgestattet hat, um einen sicheren Baubetrieb zu gewährleisten. Da soll es sich zugetragen haben, dass eines Tages alle Sensoren ausgeschlagen haben, sehr zum Besorgnis der Bauleitung – bis sich herausstellte, dass lediglich der Messner im Dom einen schweren Teppich hatte fallen lassen.

Quelle: Eine TV Dokumentation zum U-Bahnbau, die Julia vor ein paar Jahren gesehen hat, aber nicht mehr weiß, wo oder wie sie geheißen hat. Also legen wir das mal unter Hören-Sagen ab. (Aber wir würden uns sehr freuen, wenn uns jemand diese Episode bestätigen kann. #ZeitzeugenGesucht)

Worauf wir damit hinauswollen: Wer im dicht besiedelten Gebiet baut, geht ganz sicher kein Risiko ein. Nicht 1991 und auch nicht heute.

12 Terabyte an Daten

Aus diesem Grund werden damals wie heute die Gebäude entlang der Bauzone engmaschig überwacht. So sind in etwa 1.500 Schlauchwagen im Einsatz, zusätzliche Vermessungen werden sich im Laufe des Projekts noch ergeben.

Diese produzieren täglich bis zu 6 Gigabyte Daten, das entspricht in etwa dem Datenvolumen von eineinhalb DVDs oder 6.000 Büchern. Auf die Projektlaufzeit gesehen rechnen wir mit unglaublichen 12 Terabyte (1TB = 1.000 GB).

Zur Veranschaulichung: Ein Buch benötigt ungefähr ein Megabyte Speicherplatz. 6 GB pro Tag entsprächen 6.000 Büchern, über die gesamte Projektlaufzeit kämen somit 12 Millionen Bücher zusammen. Zum Vergleich: Mit Stand 2019 hatte Google Books insgesamt 40 Millionen Titel gescannt, also etwa 40 TB (die Österreichische Nationalbibliothek umfasst „nur“ 10,9 Millionen Werke)

Credit: Österreichische Nationalbibliothek/Hloch

Credit: Österreichische Nationalbibliothek/Hloch

Eine schier unfassbare Menge. Manuell ist ein derartiges Datenaufkommen nicht zu bewältigen und auch herkömmliche Tabellenkalkulationsprogramme erreichen bei solchen Mengen ihr Limit, von der Fehleranfälligkeit ganz zu schweigen.

Da freut es uns sehr, dass wir mit SCALES Teil dieses Jahrhundertprojektes sein können!

Was wir mit SCALES tun:

Konkret überwachen wir alle 1.500 Schlauchwaagenmessstellen (ein tolles Wort) entlang der U-Bahntrasse bezüglich Gebäudesetzungen in einem Messintervall von nur wenigen Sekunden. Dazu kommen genauso viele virtuelle Schlauchwaagen, die Punkte zwischen den tatsächlichen Schlauchwaagen interpolieren, sowie mehr als 3.000 Winkelverdrehungen, mit denen wir berechnen, wie sich die einzelnen Messpunkte zueinander verhalten.

Diese werden durchgehend überwacht. Wird ein festgelegter Grenzwert über- oder unterschritten, wird ein Alarm ausgelöst und eine Benachrichtigung an die zuständigen Stellen geschickt.

Daten werden also nicht nur durch die Messungen an sich, sondern auch durch Handlungsvorschläge und deren Ausführung generiert.

Außerdem messen, sammeln und analysieren wir mit SCALES sämtliche Daten der Wasserhaltungssysteme mit 550 Brunnen und 140 Pegeln, sowie Bohr und DSV-Arbeiten.

Das alles wird auf unserer Plattform übersichtlich dargestellt und bietet eine Single Source of Truth für alle Beteiligten – in Echtzeit.

SCALES ist also nicht nur Sammelstelle für Messdaten, sondern bereitet diese auf – und unterstützt darüber hinaus auch noch die Experten bei der Entscheidungsfindung.

So sieht beispielsweise die Visualisierung der Manschettenrohre am Matzleinsdorfer Platz mit SCALES aus

Die Vorteile?

  • Wenn ein Teppich runterfällt, löst das keine Panik mehr aus. Weil SCALES erkennt, dass nichts Schlimmes passiert ist.
  • Es muss niemand mehr manuell schauen, ob alles passt.
  • Wenn es was zu tun gibt (beispielsweise Kompensations-Injektionen im Fall einer Senkung), werden alle Betroffenen sofort benachrichtigt.
  • Es kann also die gesamte Baustelle im Hinblick auf den Spezialtiefbau im Überblick behalten werden (was bei über 550 Brunnen, mehr als 140 Pegeln und Wasseruhren, mehr als 1.500 Schlauchwaagen, mehr als 40.000 Laufmetern Bohrungen, mehr als 120.000 Injektionsmanschetten und weit über 300.000 Injektionsprozessen gar nicht so einfach ist).

Aber hier ist noch lange nicht Endstation!

Die Baustelle dauert noch bis 2028 (in einem ersten Schritt – denn in einem zweiten sollen die Linien bis 2035 bis Hernals (U5) beziehungsweise bis zum Wienerberg (U2) verlängert werden) und wir planen natürlich, mit dem Projekt zu wachsen.

Dass die Bauarbeiten so lange andauern werden ist nicht nur für die beteiligten Bauarbeiter und Co. fordernd, sondern auch für unser System – denn alle Daten, die heute generiert und in SCALES gespeichert werden, müssen auch noch 2028 und darüber hinaus innerhalb weniger Sekunden abgerufen werden können. Gar nicht so einfach! Neue Features, neue Geräte, neue Forschungsprojekte – eine ziemliche Herausforderung – aber Herausforderungen lieben wir ja bekanntlich! Wie gut, dass uns diese spezielle noch viele Jahre begleiten wird!

Wir halten euch auf dem Laufenden 😉

Veröffentlicht am
Kategorisiert in eguana.team

Von Anna Riedler

Als der Orientierungssinn vergeben wurde, hatte sich Anna gerade verlaufen. Umso besser, dass ihre Arbeit mit Baustellen nur peripher zu tun hat – sie würde vermutlich nie wieder zurück ins Büro finden. Stattdessen schreibt die studierte Journalistin fleißig Texte für unsere Homepage, unseren Blog, und literaturnobelpreisverdächtige Kurzbeschreibungen.