Wir haben den Tunnelblick
Am Anfang war das Wort. Und das Wort lautete: „Visualisierung“. Ausgesprochen wurde es angeblich von Philipp, Bernhard und Florian, als sie sich 2015 mit eguana selbstständig machten. Wie viel sich in den vergangenen 10 Jahren getan hat – und was die Zukunft noch für uns bereithält, zeigt uns heute unser „Visualisierungsexperte“ Philipp Eder.
Let's get visual
Am Anfang war das Wort, das wissen wir ja schon. Kurz darauf entdeckte der Mensch das Feuer für sich – in unserem Fall Feuerbach. eguana lieferte hierzu Visualisierungen zu Injektionen. Direkt in den Grundriss der Tunnelröhre eingebettete Messpunkte zeigten zeitnah kritische Stellen an. Seit diesen Anfängen wurden im Lauf der vergangenen Jahre immer mehr Funktionen ergänzt und so ist heute schon ein virtueller Durchgang durch den abstrahierten Tunnel möglich.
Stuttgart 21 / Tunnel Feuerbach
Der Tunnel Feuerbach (Baubeginn 2014, geplante Fertigstellung Ende 2026) führt in Zukunft auf einer Länge von über 3.000 Metern von Stuttgarts Hauptbahnhof zum Bahnhof Feuerbach.
Der zweiröhrige Tunnel liegt bereichsweise im anhydritführenden Gebirge. Anhydrit ist ein häufig vorkommendes, kristallenes Mineral, das sich in Gips verwandelt, wenn es mit Wasser in Berührung kommt. Dadurch nimmt es an Volumen zu und dehnt sich aus. Aus diesem Grund ist beim Vortrieb jeder Wasserzutritt dringend zu vermeiden – Abdichtungsmaßnahmen sind daher unbedingt erforderlich.
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Feuerbach machte den Anfang. Von simplen Grundrissvisualisierungen ging es Schritt für Schritt über interaktive Visualisierungen mit klickbaren Elementen, grafische Planungen und Bild-Exporten bis hin zu unserem neuesten Geniestreich (wenn wir so unbescheiden sein dürfen). „Wir nennen es VIS 3.0“, so Philipp Eder. „Was es genau ist, wollen wir an dieser Stelle noch nicht verraten, es wird eine Überraschung. Aber so viel sei gesagt: Der Name verrät mehr, als wir eigentlich dürfen.
Keep it Simple
Was in Feuerbach begonnen hat, hat sich schnell weiter-entwickelt.
Aber dazu mussten wir uns erst die Frage stellen: Was macht eigentlich eine gute Visualisierung aus?
Für uns ganz klar: Eine intuitive Bedienung. Wie immer reduzieren wir auch hier aufs Wesentliche. Wenn nur unbedingt notwendige Bedienelemente übrigbleiben, so dass User gar nichts falsches anklicken können, ist das User Interface perfekt. Die Farbpalette ist bewusst so gehalten, dass die Farbe des Kontrollelements die Funktion widerspiegelt. Bei der User Experience kommt Philipp Eder ins Spiel, der als Architekturstudent darin geübt ist, komplexe Inhalte so herunterzubrechen, dass man sie auf einen Blick versteht.
Eine simple Oberfläche also – aber im Hintergrund tut sich viel. Denn was einfach wirkt, birgt technische Herausforderungen. „Ein echter Knackpunkt ist oft die saubere Koordinatentransformation: Wir müssen 3D–Daten in eine 2D–Ansicht projizieren – sei es um einen Tunnel in einer abgewickelten Darstellung abzubilden (also quasi, als würde man eine Klorolle aufschneiden und flach hinlegen) oder eine definierte Projektion (was man üblicherweise bekommt, wenn man versucht die kugelrunde Erde auf einer flachen Landkarte darzustellen). Mathematisch braucht’s dafür meist nur klassische Trigonometrie, aber die eigentliche Arbeit passiert am Whiteboard: Welche Drehung kommt zuerst, welcher Winkel gehört auf welche Achse und in welcher Reihenfolge laufen die Verschiebungen? Dieses Vordenken spart später jede Menge Debugging–Zeit“, erklärt Philipp Eder.
Ziel
Geometrisch
Erscheinung
Typisches Beispiel
Abwicklung
Fläche ausbreiten
streckengetreu
Form verändert sich
Metallrohr aufgeschlitzt
Definierte Projektion
Blickwinkel darstellen
winkelgetreu
Länge & Fläche können verzerren
Landkarte, Spiegelbild
Fazit
Abwicklungen helfen bei der Fertigung oder Materialplanung, weil sie reale Längen zeigen. Projektionen helfen beim Verstehen von Formen und räumlichen Zusammenhängen.
Beide haben ihren Platz – je nachdem, was man wissen will.
Easy Peasy?
Auch andere, scheinbar einfache Themen haben uns gelegentlich schon vor unerwartete Probleme gestellt.
Zum Beispiel legen wir, damit man direkt beim Öffnen einer Visualisierung den bestmöglichen Überblick über die Baustelle bekommt, gerne eine Satelliten- oder Straßenkarte in den Hintergrund. Das ist grundsätzlich nicht schwer zu realisieren, dachten wir. Denn damit die Punkte auf der Karte am richtigen Ort erscheinen, braucht es präzise GPS-Koordinaten von Ansatzpunkten. Wir haben leider schnell gemerkt, dass diese nicht immer leicht zu bekommen sind. Im einfachsten Fall bekommen wir Pläne, die mit Gauß-Krüger-Koordinaten vermessen sind, was eine direkte Umrechnung ermöglicht (sofern man weiß, wo sich die Baustelle befindet und welcher Zone/ welchem Meridianstreifen die Koordinaten zugeordnet sind). Oft erhalten wir aber lokale, bauprojektspezifische Koordinatensysteme. Hier ist eine Umrechnung nicht oder nur sehr schwer möglich. Deshalb haben wir die Visualisierung aufwendig an diese Herausforderung angepasst, um auch Punkte, welche in lokale Koordinaten angegeben sind, direkt darstellen zu können.
Wir lernen aus Fehlern
Wenn uns zehn Jahre eguana eines beigebracht haben, dann dass…
„Keep it Simple!“ eine tolle Basis ist, aber wenn man „expect the complex“ hinzufügt, gibt es insgesamt ein besseres Bild und realistische Erwartungen.
Und wenn es mal ohne Komplikationen klappt, ist die Freude über das fertige Produkt umso schöner (Wenn nicht, haben wir zumindest was gelernt). Wobei es „fertig“ eigentlich nicht trifft. Wie bei Feuerbach kommen auch bei vielen anderen Projekten neue Funktionen hinzu, tauchen neue Stellschrauben auf, an denen gedreht werden kann, haben Kund*innen Ideen für Funktionen, die ihnen das Leben erleichtern.
Generell zählt für uns, was die Kund*innen wollen bzw. was das Projekt benötigt. „Wie “wichtig“ etwas ist, müssen letztlich die Kund*innen entscheiden“, so Philipp Eder. „Meine Fähigkeit ist lediglich, einzuschätzen, wie informativ und aufklärend eine Visualisierung für das Bauvorhaben ist. Ein grober Richtwert für mich lautet: Wenn ich als Halb-Laie die Maßnahme und ihren Erfolg verstehe, dann ist es eine gute Visualisierung.“
Hier sticht für ihn vor allem die U-Bahn-Darstellung bei den Kompensationsinjektionen heraus: In einem einzigen Bildschirm lassen sich Injektions– und Setzungsdaten in mehreren, frei ein und ausblendbaren Layern kombinieren. So sieht man live, wie die Arbeiten voranschreiten und welches Ziel jede Bohrung verfolgt – „ein riesiger Mehrwert für die Analyse“. Aber auch die Isolinien-Visualisierung der Wasserhaltung hat einiges zu bieten. Im Grundriss des Bauprojekts lässt sich damit perfekt erkennen, was sich im Untergrund tut, wo sich der geplante Grundwasserspiegel nach dem Pumpen befindet und ob die Absenkziele erreicht wurden.
Hübsches buntes Bild – oder Entscheidungshilfe?
Was macht eigentlich den Unterschied zwischen einem hübschen, bunten Bild und einer wichtigen Entscheidungshilfe aus?
Im Idealfall, so Philipp Eder, gibt es keinen Unterschied:
„Ein hübsches buntes Bild ist eine Entscheidungshilfe – sofern es richtig aufgesetzt ist. Die Grenzwerte müssen beispielsweise zum Bauvorhaben passen, und die angezeigten Werte müssen den Bauprozess wirklich widerspiegeln.“
Philipp Eder
Weil uns Essen fast so wichtig ist wie Visualisierung im Spezialtiefbau, hier ein vereinfachtes Beispiel aus der Küche: Wenn ich die Eier für meinen Kuchen abzählen will, ist eine Stückzahl erheblich hilfreicher als eine Mengenangabe in Teelöffeln. Bei einer Zuckerangabe in „Anzahl Körner“ wirft aber vermutlich der begeistertste Hobbybäcker das Handtuch.
„Eine Visualisierung muss also wahrheitsgetreu und zielgerichtet sein. Erst dann kann ich auf einen Blick erfassen, was als Nächstes zu tun ist – „Hier fehlt noch eine Injektion“ oder „Der Absenktrichter passt, wir können weitermachen.“ Dazu brauche ich klare Skalen, nachvollziehbare Zahlen, Layer zum Ein- und Ausblenden und am besten eine Funktion, um die zeitliche Entwicklung zu sehen. Hübsch ist es schnell einmal – entscheidend ist es erst, wenn es zum Bauvorhaben passt.“
Philipp Eder
Stil
Heatmap
Punkte
Isolinien
Flächen
Striche
Linien & Vektoren
Was wird dargestellt
Farbverlauf nach Messwert
Unterschiedlich gefärbte Kreise
Linien gleicher Wertstufe
Einfarbige Polygone
Linien & Vektoren
Zahlen, Labels
Typische Anwendung
Druck oder Mengenverteilung
Unser universales Element für Status, Druck, oder Mengen Veranschaulichungen
Grundwasserspiegel, Setzungen
Bauabschnitte, Zonierungen
Achsraster, Elementachsen
Grenzwerte, IDs, Messwerte
Zeichnungsstile in SCALES
Darstellungsart
Art
Grundriss
Abwicklung
Schematische Näherung
Projektion
Erklärung
Draufsicht in 2D (Standard)
Abgwickelte Tunnel, Damm oder Kavernenflächen
Stark vereinfachte Geometrie (z.B. Tunnelachse als Gerade)
3D-Daten in definierte Ebene projiziert (Ansichten und Schnitte)
Verwendungszweck
Art
Statusanzeige
Zeichnungselemente
Beschriftungen
Statistiken
Zeichnungsmarker
Interaktionselemente
Erklärung
Zusehen was Geplant, in Arbeit und fertig ist
Bohrachsen, Messwuerschnitte usw. dynamisch aus der Datenbank
Punkt-IDs direkt aus der Visualisierung lesen
Mittel-, Max-, Min-Werte direkt neben der Darstellung
Klickbare Symbole für Abschnitte oder Abwicklungen
Popups, Layer, Switches schalten Infos weg oder hinzu
Wichtige Zusatzfeatures
Art
Betrachtungszeitraum
Screenshot Tool
Suche
Legende mit visuellen Filtern
Erklärung
Messwerte per Zeitleiste vor/zurückspulen
Einen Klick, PNG wird heruntergeladen
RohrID/Ebenenname eintippen, Tooltip erscheint auf dem Element
Farbskalen anzeigen lassen und Grenzwert-Ebenen isolieren
„In fünf Jahren sehe ich SCALES als durchgängige 3D-Umgebung – keine separaten Module mehr, sondern eine Bühne, auf der alles zusammenspielt“, so Philipp Eder. „Du lädst deine Plandaten hoch, und sofort steht das komplette Bauwerk als interaktives 3D-Modell vor dir. Alle Analysen passieren im gleichen Raum: Klick auf ein Bauteil, ein Fenster geht auf und eine KI spuckt dir live die relevanten Kennzahlen, mögliche Interpretationsvorschläge oder Warnungen aus – kein Hin und Herspringen zwischen Tabs, kein Kontextwechsel. Und dann das i-Tüpfelchen: Dasselbe Modell legt sich als Augmented Reality Overlay direkt auf die Baustelle. Du richtest dein Tablet oder die Smart Brille auf die Tunnelschale, ob die Injektionsmengen dahinter stimmen, wo noch Injektionen fehlen oder wie sich der Absenktrichter unter einem tatsächlich ausbildet. Kurzum: Planung, Kontrolle und Entscheidung verschmelzen – räumlich, zeitlich und kognitiv. So macht Visualisierung nicht nur hübsch bunt, sondern bildet die digitale Baustelle genau über der realen Baustelle hinweg ab.“
Philipp Eder
Fazit: Mehr als nur hübsch anzusehen
Visualisierungen sind längst mehr als schöne Bilder: Sie helfen, Entscheidungen zu treffen, Fehler zu vermeiden und den Überblick zu behalten. Auch bei komplexen Bauwerken, unzähligen Messpunkten und wechselnden Rahmenbedingungen. In der Praxis zeigen sie, was wirklich zählt: Wo es Abweichungen gibt. Wo man nachjustieren muss. Oder wo alles rund läuft.
„Ohne die Visualisierung hätten wir keine Ahnung mehr, wo das ganze Material verbraucht wurde“
Kommentar eines Users zu einer SCALES-Visualisierung (leider sind alle Projekte immer so top-secret, dass wir keine Namen nennen dürfen 😉)