Brunnenbau in Afrika

Eine frage der Perspektive

Auf unseren Baustellen ist Wasser meist ein Problem. Wir halten es zurück, lenken es ab, pumpen es weg. Diesmal schauen wir uns das Thema aber einmal aus einer anderen Perspektive an: Wenn Wasser die Lösung ist. 

Wo es üblicherweise bei Wasserhaltung, Brunnen und Pegeln darum geht, das Grundwasserlevel zu kontrollieren, haben wir diesmal einen besonderen Gast, der uns darüber erzählt, wie es ist, wenn man den Brunnen nicht setzt, um die Baustelle trocken zu halten – sondern weil man wirklich dringend das Wasser benötigt. 

Nachdem er über Jahrzehnte als Geschäftsführer die 3P Geotechnik ZT GmbH geleitet hat, erfüllt sich Martin Pelzl im Ruhestand nämlich einen Lebenstraum. Spoiler: es geht um eine Fernreise – aber ganz anders, als man in den üblichen „Genießen Sie ihren Ruhestand“ Werbungen sieht. 

Hilf mir, es selbst zu tun

Das Motto von Maria Montessori hat sich auch der Entwicklungshilfeverein Gib Kindern eine Chance“  als Vorbild genommen und arbeitet in Afrika mit dem Ziel, jungen Menschen Zukunftsperspektiven zu bieten. 

Der Verein baut Schulen in Uganda, die nicht nur klassischen Unterricht bieten, sondern auch weitgehend autark unterwegs sind. Schulküche allein reicht nicht, die Zutaten werden, wo möglich, direkt vor Ort von den Schülern angebaut, die dabei direkt noch etwas über Landwirtschaft lernen. In speziellen Werkstätten lernen sie ab der Oberstufe auch Handwerke wie Schneiderei (und machen die Schuluniformen selbst), Schuhmacher (damit keiner der Schüler barfuß laufen oder Fußball spielen muss) oder auch Installateur, Maurer und was man sonst noch so braucht, um eine Schule oder ein Dorf am Laufen zu halten und sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen. 

„Wir wollen hier nicht kurzfristig löschen, wenn es brennt, sondern eine langfristige Basis schaffen. Mit dazu beitragen, dass im Land Arbeit geschaffen wird. Ja sogar mehr Arbeit ins Land kommt.“

Wasser, die Quelle alles Lebens?

Sowieso. Aber auch: Wasser, der Anfang aller Arbeit. Denn wenn das Wasser nicht aus der Leitung kommt und die Erwachsenen darum kämpfen, genug zum Überleben zu verdienen, ist Wasserholen ganz klar Kinderarbeit. 

Kinder, die in die Schule gehen, können aber ihre Familie nicht mehr mit Wasser versorgen – und somit wird eine Wasserleitung zur überraschenden Grundvoraussetzung, um die Schule besuchen zu dürfen. 

Jetzt könnte man natürlich hergehen, und einfach ein paar Brunnen und Leitungen bauen lassen (machen wir uns nichts vor, einfach wäre es auch nicht). Aber wir sind wieder zurück bei Montessori – und auch bei Martin Pelzl. 

Der ist nämlich für 3 Monate nach Uganda gereist, um dem „Water Department“ der Schule von Nakaziba die Grundlagen des Brunnenbaus näherzubringen. Denn wer sich selbst mit Wasser versorgen kann, gewinnt nicht nur Sicherheit, sondern auch Unabhängigkeit. 

Vom Papierkorb zur Quellfassung

Wie so oft galt auch in Martins Brunnenbau-Kurs: fangen wir ganz von vorne an. Und so hat er mit seinen Schülern erstmal damit begonnen, die Prinzipien von Bodenkörnung anhand von allgemein bekannten Vergleichsgrößen wie Mehl, Gries, Mais und Eiern zu besprechen (schön, dass nicht nur wir mit essbaren Beispielen arbeiten!) .

Im Praxisteil dann die erste Herausforderung – was tun, wenn kein “Spezialwerkzeug“ oder Baumarkt zur Verfügung steht? Zum Glück macht Not erfinderisch. So kann zum Beispiel auch ein Papierkorb mit passender Lochung zum Sieben von Gesteinskörnung verwendet werden und wenn man ein Hasengitter doppelt nimmt, ist das Sieb gleich umso feiner.  

Mit etwas Improvisation, viel Geduld und Vertrauen haben Martin und seine Klasse sich innerhalb der kurzen Zeit nicht nur erfolgreich durch den Theorieteil gearbeitet, sondern als praktische Übung direkt noch das lokale Wasserloch mit schmutzigem Wasser in eine Quellfassung umgebaut, die inzwischen Schule und Dorf täglich mit gut 7000l sauberem Wasser versorgt. 

„Eine Szene, die mir immer in Erinnerung bleiben wird, ist als wir den Brunnen offiziell eröffnet haben. Die wichtigsten Personen des Dorfes samt Bürgermeister waren versammelt, alle sehr skeptisch. Nach außen hin sah es ja so aus, als hätten wir das Wasserloch einfach zubetoniert und damit die Wasserversorgung des Dorfes zerstört. Nachdem ein Vertreter des Dorfes den ersten Kanister aus der neuen Leitung abgefüllt und sehr besorgt geprüft hat, hat er sich erst bekreuzigt und dann den ersten Schluck aus dem Kanister genommen – um mir dann als Zeichen des Dankes strahlend die Hand zu schütteln!“

Same, same – but different?​

Natürlich hat uns interessiert, was denn so die größten Hürden waren, denen Martin in Uganda begegnet ist. Er hat uns drei Punkte genannt: man braucht viel Geduld, wenig Perfektionismus – und muss mit starren Hierarchien umgehen können. 

Erstaunlich bekannt. Denn ehrlich, wer kennt nicht auch genau diese Punkte aus dem eigenen Arbeitsalltag? Doch auch als erfahrener Experte meint Martin:

„Man braucht schon sehr viel Geduld und die Präzision ist einfach eine ganz andere, als ich das aus meiner Arbeit bisher gewohnt war.“

Aber auch was das Thema Hierarchie angeht, sind wir wohl inzwischen weitgehend einen lockereren Umgang gewohnt, als Martin es in Uganda erlebt hat. Dort ist es absolut undenkbar, sich an jemand anderen als den direkt hierarchisch übergeordneten zu wenden – der es wiederum genauso macht. Was in Summe zu wirklich langen Entscheidungswegen führen kann.

Wasserbau goes Fashion Design

Neben dem Brunnen – als wäre das nicht Erfolg genug – nimmt Martin auch gleich noch zwei andere persönliche Erfolge mit nach Hause. Nicht nur, dass er wie geplant, dem „Water Department“ einiges an Wissen vermitteln konnte. Ein besonders interessierter Schüler hat ausreichend Motivation und Talent bewiesen, um in Zukunft Martins Workshop selbst abhalten und neue Schüler mit den Grundprinzipien des Brunnenbaus bekannt machen zu können. Damit hat Martin nicht nur beigetragen Fachkräfte auszubilden, sondern direkt auch einen „Wissensmulitplikator“ vor Ort einsetzen können. 

Und nachdem Fußball an der Schule ein sehr beliebter Freizeitsport ist, und Martin gemeinsam mit 3P schon einige Dressen gespendet hat, war er im Austausch mit der Schneiderwerkstatt der Schule – denn wieso können sie nicht selbst Fußballdressen oder T-Shirts nähen? Die nicht nur in der Schule sehr gefragt sind, sondern auch einen wertvollen Verkaufsartikel darstellen. Offenbar lag es an der Versorgung mit passenden Stoffen – inzwischen werden vor Ort auch T-Shirts selbst genäht – eine nachhaltige Weiterentwicklung. 

Urlaubsreif?

Für alle, die jetzt auch gerne eine Reise nach Uganda buchen möchten und ganz viel Geduld und Fachwissen mit im Gepäck haben: gesucht wird alles, was an Handwerkskunst helfen kann, eine Schule am Laufen zu halten oder eine Familie zu ernähren. 

Und für alle die nicht genug Resturlaub haben: neben Laptops sind natürlich auch Geldspenden immer willkommen. 

Kindern eine Chance