Lean on Me!

Gemeinsam bieten wir Verschwendung die Stirn

Es ist Donnerstagnachmittag in der kurzen Woche, der Beton ist durch die Stadt im Abendverkehr unterwegs, die Arbeiter stehen bereit – aber wo liegt nun der richtige Bewehrungskorb für den abgeteuften Bohrpfahl und wieso ist der Zettel mit den Herstellzeiten nun in den Schmutz gefallen und kaum mehr lesbar? Willkommen auf der Baustelle, wo Effizienz manchmal so schwer zu finden ist wie das letzte saubere Häferl. Genau hier kommt Lean ins Spiel.

Die Bauindustrie hat ja nicht gerade den Ruf, ein Musterbeispiel für Effizienz zu sein: Termine ziehen sich, Kosten schießen in die Höhe, und von außen sieht vieles unnötig kompliziert aus. Aber wer in der Branche steckt, weiß: Das ist wirklich irre komplex und eigentlich wird jedes Mal ein Prototyp hergestellt, denn keine Baustelle ist wie die andere.

 Überraschungen gehören zum Baustellen-Alltag, wie Kaffee zum Kuchen. Genau hier setzt Lean Construction an. Ursprünglich aus der Automobilindustrie, bringt dieser Ansatz jetzt auch vermehrt im Bauwesen Struktur und Klarheit ins Chaos. 

Für diesen Beitrag haben wir uns Verstärkung geholt – und zwar von jemandem, der weiß, wovon er spricht: Martin Stopfer, Bauleiter, Lean-Manager und gefragter Experte im Bereich Bauprozessoptimierung. Mit über 25 Jahren Erfahrung auf nationalen und internationalen Baustellen und seiner Tätigkeit an der FH Campus Wien ist er nicht nur tief in der Praxis verankert, sondern auch ganz vorne mit dabei, wenn es um die Weiterentwicklung von Bauprozessen geht.  

Perfekt um gemeinsam einen genaueren Blick auf das Thema „Lean auf der Baustelle“ zu werfen!

Alles auf Lean-ie?

Schlanker bauen, weniger fluchen!

Lean hat seine Wurzeln in Japan, wo nach dem 2. Weltkrieg die Not sehr groß war, und Ressourcen, wie Fachkräfte, Material und Geräte, sehr knapp waren. Aus dieser Not entwickelte Toyota Werkzeuge und Methoden, um die Verschwendung in den Arbeitsprozessen so gering als möglich zu halten bzw. zu eliminieren. Weniger ist manchmal wirklich mehr. Die Idee dahinter? Prozesse schlank halten, sich auf das konzentrieren, was den Kunden wirklich weiterbringt, und Arbeitsabläufe so gestalten, dass sie effizient wie ein Uhrwerk laufen. (Oder wie ein gut geölter Motor – wir reden hier schließlich von Toyota!)

Und was hat das mit der Bauindustrie zu tun? Eine Menge! Baustellen sind wie riesige Maschinen: viele Beteiligte, unzählige Abläufe und tonnenweise Daten, die alle irgendwie zusammenpassen müssen. Wenn ein einziges Rädchen aus dem Takt kommt – sprich: eine Verzögerung oder ein Fehler auftritt – dann gerät schnell das ganze Bauvorhaben ins Stolpern und am Ende zahlt das Projekt (und die Nerven der Beteiligten) den Preis. 

Bei Toyota fing alles ganz praktisch an: Man erkannte, dass es nicht besonders clever ist, große Lagerhallen zu bevorraten. Also setzte man auf ein „Just-in-Time“-System, bei dem Teile genau dann geliefert wurden, wenn sie gebraucht wurden – nicht früher, nicht später. Übertragen auf eine Baustelle bedeutet das zum Beispiel: Keine Paletten mit Bewehrungskörben, die wochenlang im Weg stehen, keine Betonlieferungen, die drei Stunden zu früh kommen. Kein unnötiger Ballast, keine Zeitverschwendung – stattdessen: punktgenaue Lieferung, reibungsloser Ablauf und weniger Chaos.

Acht Arten der Verschwendung

Die üblichen Verdächtigen am Tatort Baustelle

Wer die Stolpersteine nicht kennt, wird ständig drüber fallen. Lean hat das Ziel, Arbeitsabläufe zu entschlacken und effizienter zu machen, indem es die acht Arten der Verschwendung sichtbar macht. Denn nur, was man erkennt, kann man auch beheben. Und genau darum geht’s: Probleme aufspüren, Ursachen verstehen und clever dagegen steuern. 

Bei Toyota hat man das meisterhaft vorgemacht. Da wurde jede Schraube, jeder Handgriff und jeder Weg hinterfragt. Beispiel gefällig?  

Lean beschreibt acht Arten von Verschwendung, die uns auch im Baualltag ständig begegnen. Acht „üblichen Verdächtigen“, die den Baualltag sabotieren 

pendler

1. Unnötige Transport

„Der Pendler“ – Lässt Material mehr Kilometer zurücklegen als ein Paketdienst.

Wenn Materialien, Werkzeuge oder Produkte häufiger als nötig bewegt werden, verursacht das zusätzliche Kosten, erhöht die Unfallgefahr und bringt keinen Mehrwert für den Kunden. 
Und auch auf Baustellen fahren Materialien oft mehr Kilometer als der Projektleiter zur Arbeit.

platzfresser

2. Flächen und Bestände​

„Der Platzfresser“ – Liebt riesige Materialberge, die niemand braucht.

Baustellen sind keine Lagerhäuser – im Gegenteil, Platz ist oft Mangelware. Jede Palette, jedes Materialpaket muss strategisch platziert werden, damit es nicht zur Stolperfalle wird oder wertvolle Arbeitsfläche blockiert. Auf kleineren Baustellen kann schon ein einzelnes falsches Materiallager für Chaos sorgen, weil plötzlich niemand mehr durchkommt. 

Auf Großbaustellen hingegen sieht es oft genau andersherum aus: Dort türmen sich Materialberge, von denen irgendwann mitunter keiner mehr weiß, dass sie überhaupt da sind. „Liegt ja schon so lange hier, das gehört sicher jemand anderem.“ Das Ergebnis? Material verkommt, wird beschädigt oder geht schlicht vergessen – bis es irgendwann neu bestellt wird, während die ursprüngliche Lieferung weiter ungenutzt im Eck verstaubt. So wird aus einer vermeintlichen Sicherheitsreserve schnell eine teure Verschwendung. 

versteckspieler

3. Wege und Suchzeiten

„Der Versteckspieler“ – Sorgt dafür, dass Werkzeuge immer genau dann verschwinden, wenn sie gebraucht werden.

Wer kennt es nicht? Das dringend benötigte Werkzeug ist nirgends auffindbar, die aktuellen Pläne sind gerade „irgendwo auf der Baustelle“ unterwegs, und der Polier? Der hat natürlich genau den Container bekommen, der am weitesten vom Geschehen entfernt ist. 

Das Problem liegt oft in der Baustellenlogistik: Die Baustelleneinrichtungsfläche wird meist nach geometrischen Randbedingungen geplant – wo passt der Container noch hin, sodass ein LKW vorbeikommt? Wo gibt es eine freie Ecke für das Lager, ohne die Zufahrt zu blockieren? Zwangspunkte wie die Einfahrt oder der Kanalanschluss geben den Rest vor. Effiziente Laufwege? Werden bei der Planung oft nur für die größten Arbeitsschritte berücksichtigt – alles andere muss sich irgendwie fügen.

barrista

4. Wartezeit

„Der Barrista“ – Bringt Maschinen und Menschen zum Stillstand.​

Stillstand bei Maschinen oder Personen, weil Material, Entscheidungen oder Informationen fehlen oder auf andere Gewerke gewartet wird führen zu Verzögerungen und kosten bares Geld. Der Bagger steht still, weil der LKW mit dem Material im Stau steckt. Das Team wartet auf Entscheidungen, und alle drehen Däumchen. Stillstand, der teuer ist und die Projektplanung durcheinanderbringt. 

bürokrat

5. Ineffiziente Prozesse

„Der Bürokrat“ – Hält alle mit endlosen Listen und Protokollen auf Trab.

Schritte im Prozess, die über das notwendige Maß hinausgehen, oder nicht klar definiert sind, werden zu unsichtbaren Zeitfressern im Projekt. Doppelte Datenpflege, Protokolle, die keiner liest, und Excel-Listen, die länger sind als die Baustelle selbst. Hier wird oft mehr dokumentiert als gearbeitet. 

verschwender

6. Überproduktion

„Der Verschwender“ – setzt auf maximalen Materialeinsatz, ohne Rücksicht auf Effizienz.

Mehr herstellen, als tatsächlich benötigt wird, führt zu unnötigen Beständen, erhöhtem Lageraufwand und oft auch zu Materialverschwendung, wenn Produkte später unbrauchbar werden. Musste der Injektionsprozess wirklich so lange laufen, oder wurde das Injektionsziel doch schon bereits früher erreicht? 

saboteur

7. Fehler und Nacharbeiten

„Der Saboteur“ – Liebt falsche Daten und schlecht ausgeführte Arbeiten.

Produkte oder Ergebnisse, die nicht den Anforderungen entsprechen und nachgearbeitet, repariert oder komplett ersetzt werden müssen verursachen doppelte Arbeit und belasten Ressourcen. Das kann besonders kostspielig werden. Ein kleiner Tippfehler in den Daten, eine falsch angesetzte Bohrung – und schon sind die Nacharbeiten in vollem Gange. Solche Fehler kosten Zeit, Geld und oft auch die gute Laune aller Beteiligten. 

bremser

8. Ungenütztes Mitarbeiterpotenzial

„Der Bremser“ – Setzt Talente da ein, wo sie nichts bewirken können.

Die Fähigkeiten und Talente der Mitarbeiter*innen werden nicht vollständig genutzt, Ideen bleiben unausgesprochen, Weiterbildungen werden vernachlässigt oder Aufgaben werden nicht entsprechend der Qualifikation verteilt. Das führt beispielsweise zu hochqualifizierten Techniker*innen, die mit dem Abtippen von Handzetteln kämpfen, statt ihre eigentlichen Stärken einzusetzen. Bauleiter*innen, die mehr Zeit mit Papierkram als mit Problemlösungen verbringen. Verschwendung, die besonders weh tut. 

Diese acht Verdächtigen können den Baualltag ordentlich durcheinanderbringen. Doch mit Lean als Kommissar lässt sich Verschwendung gezielt aufspüren und beseitigen. Der Gewinn? Ein Baustellenablauf, der endlich rund läuft, weniger Stress für alle Beteiligten – und am Ende vielleicht sogar pünktlich Feierabend. 

Sechs Richtige

Nicht nur im Lotto ein Gewinn

Seit zehn Jahren nehmen wir es bei eguana SCALES mit den „üblichen Verdächtigen“ auf – und bei sechs von acht Verschwendungsarten können wir ihnen jetzt schon ordentlich die Stirn bieten. Unser Ziel? Weniger Chaos, weniger Frust, und eine Baustelle, die einfach läuft, ohne dass bis spät in die Nacht Auswertungen gemacht werden müssen. Wie wir das hinkriegen? Hier ein paar Beispiele, die zeigen, dass es auch anders geht: 

1. Wege und Suchzeiten

Abgesehen davon, dass digitale Unterlagen spätestens bei Benutzung der Suchfunktion schneller zu finden sind als analoge, gibt es hier noch einen weiteren wichtigen Vorteil. Handprotokolle enthalten keine Pflichtfelder. Bleibt also beim Ausfüllen ein Feld leer, stellt sich später die Frage: Warum? Gab es tatsächlich nichts auszufüllen? Oder wurde unvollständig ausgefüllt. Also muss vor der digitalen Erfassung des Handzettels erst nochmal der Ersteller gesucht werden. Viel Zeit und Ärger, der sich durch direkte digitale Erfassung vermeiden lässt.

2. Wartezeit

Wartezeiten kosten Geld und Nerven. SCALES bringt Teams, Maschinen und Materialien besser zusammen, indem es Informationen in Echtzeit teilt, Prozesse koordiniert und Entscheidungen beschleunigt.

3. Ineffiziente Prozesse

SCALES digitalisiert, optimiert und automatisiert. Weg mit doppelt geführten Excel-Listen, E-Mail-Lawinen und manuellen Übertragungen von PDF auf Excel – hier läuft alles wie geschmiert.

4. Überproduktion

Mit SCALES können Herstelldaten in Echtzeit analysiert werden, was einen präzisen Soll-Ist Vergleich und zeitnahe Reaktionen ermöglicht. Mit der Unterstützung von KI werden wir hier in Zukunft noch besser vorhersagen können, wo Optimierungen möglich sind. 
Doppelt geführte Listen und überflüssige Papierprotokolle? Überflüssig! Wer direkt digital dokumentiert, statt Handzettel in Excel zu übertragen vermeidet unnötige Mehrarbeit und hält den Fokus auf das Wesentliche.

5. Fehler und Nacharbeiten

Fehler passieren – aber mit SCALES können sie schnell gefunden und korrigiert werden. Automatische Alarmierungen und klare Datenanalysen helfen, Qualitätsmängel frühzeitig zu beheben. 
Und weil alles direkt digital erfasst wird, entstehen erst gar keine Übertragungsfehler durch händisches Abtippen. Keine Zahlendreher, keine vergessenen Einträge – einfach saubere, verlässliche Daten von Anfang an.

6. Ungenütztes Mitarbeiterpotenzial

Warum sollten ausgebildete Fachleute ihre Zeit mit Papierkram verschwenden? Mit SCALES können sie sich auf das Wesentliche konzentrieren – das Bauprojekt. Das ist, was wir unter echter Digitalisierung verstehen: unangenehme Aufgaben abgeben und den Kopf frei bekommen für Dinge, die man gerne tut.

Leaning towards perfection

Lean ist mehr als eine Methode, es ist eine Denkweise – und sie passt perfekt zu unserer Mission bei eguana. Gemeinsam mit unseren Nutzer*innen bringen wir Struktur ins Baustellenchaos, reduzieren Stress und schaffen Raum für das, was wirklich zählt: smarte Lösungen, zufriedene Teams, erfolgreiche Projekte – und Zeit für Privatleben. Weil Baustellen effizienter sein können – und sollten. 

Wer jetzt Lust bekommen hat, noch tiefer in die Welt von Lean einzusteigen, ist bei Martin Stopfer in besten Händen: Im Zertifikatsprogramm Lean Construction Management an der FH Campus Wien Academy teilt er sein Know-how. Praxisnah, fundiert und mit dem nötigen Blick fürs Wesentliche.  

Über Martin Stopfer

Für den gelernten Baumeister Martin Stopfer ist Lean weit mehr als ein Schlagwort: Es ist seine persönliche Mission. Denn richtig eingesetzt, schafft Lean nicht nur ökonomische, sondern auch ökologische und soziale Mehrwerte – also genau das, was Bauprojekte heute wirklich nachhaltig macht. 

Und weil er weiß, wie viel Potenzial darin steckt, teilt er seine Erfahrung als Vortragender im Zertifikatsprogramm „Lean Construction Management“ an der FH Campus Wien – praxisnah, strukturiert und mit viel Gespür für die Menschen, die auf der Baustelle täglich den Unterschied machen. 

Als erfahrener Bauleiter verantwortete er unter anderem das „House of Health Sciences“ an der FH Campus Wien. 41.000 m² in nur 18 Monaten Bauzeit – budgetunterschreitend und termingetreu. Möglich wurde das durch gelebtes Lean Management und einen Allianzvertrag.